Unsere Crowdfunding-Erfahrung

Es ist März 2012, ein paar Tage vor dem Start unserer Crowdfunding-Runde. Userlike wird dem Investoren-Kanal von Seedmatch vorgestellt, Deutschlands größter Crowdfunding-Plattform. Es ist das erste Mal, dass wir die rauen, ungefilterten Meinungen potenzieller Investoren hören.

Die meisten Kommentare waren positiv, doch manche nicht - und diese spürten wir besonders.

"Jetzt mal im Ernst: Live-Chat gibt’s doch schon. Sollte diese Plattform uns nicht innovative Start-ups vorstellen?"

"Diese Sache mit dem Live-Chat funktioniert nicht. Ich hatte damit nur schlechte Erfahrungen..."

Wir antworteten damals so gut wir konnten und beteten, dass die Investoren nicht abgeschreckt würden.

Das war vor vier Jahren. Wir haben die Crowdfunding-Runde absolviert, haben heute über 1000 Kunden, und sehr viel mehr Free-User und sind aktuell dabei, unsere Investoren auszuzahlen. Weil viele Blogger, Studenten und andere Start-ups uns nach unseren Erfahrungen mit Crowdfunding gefragt haben, beschlossen wir, unsere Geschichte zu teilen.

Das Userlike-Team im Jahr 2012.
Userlike's ursprüngliche 4er-Gang im Jahr 2012.

Erster Kontakt

Wir standen wenige Monate vor unserem Beta-Exit als wir uns an Seedmatch wandten. Mit mageren Mitteln hatten wir es bis zu diesem Punkt geschafft. Unseren Prototyp in einem Seitenraum einer unbeheizten Wohnung gebastelt, von BAföG/ der Unterstützung unserer Eltern gelebt, uns täglich von Instant-Nudeln ernährt.

Doch trotz dieser hageren Aufstellung; es fehlte an Geld. Wir brauchten weitere Mittel um uns weiterzuentwickeln, unser Marketing auszuweiten - und uns etwas gesünder zu ernähren. Wir waren mit Angel-Investoren in Kontakt gewesen, hatten aber mit keinem das nötige Level an gegenseitigem Vertrauen erreichen können.

Unserem ersten Büro
Unsere Hintern abfrieren in unserem ersten Büro.

Nachdem wir unseren Business-Plan zu Seedmatch geschickt hatten, lud man uns in die Zentrale in Dresden ein. Dort diskutierten wir unser Produkt, das Team, unseren Business-Plan und den Crowdfunding-Deal.

Der Deal

Uns wurde Folgendes angeboten: Im Austausch für 10% der Gesamtinvestionssumme würde uns Seedmatch vor seinen Investoren präsentieren, uns Orientierung bieten während der Crowdfunding-Runde sowie uns beratend zur Seite stehen hinsichtlich der Ausgestaltung und Vorstellung unseres Business-Plans.

Den Investoren würden ihre Gewinnanteile jährlich ausgezahlt bekommen - falls es welche gäbe. Nach dem dritten Jahr können sie sich entschließen, ihre Investitionen wieder herauszuholen. Wenn das passiert, hat das Start-up ein Jahr Zeit, den Betrag in Raten an den Investor zurückfließen zu lassen. Nach dem fünften Jahr hat das Start-up die Option, die Investoren komplett auszuzahlen.

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Zweifel

Natürlich hatten wir unsere Zweifel. Am meisten beschäftigte uns die Bewertung, die unserer Meinung nach höher hätte ausfallen sollen. Wir wurden mit 500.000€ bewertet, hatten aber auf ungefähr das Doppelte gehofft. Wir hatten bis dahin schon so viel Leidenschaft und Einsatz in das Projekt gesteckt und es fühlte sich an, als würden wir für unsere eigenen realistischen Wachstumsprognosen bestraft. Besonders weil wir einige - in unseren Augen - weniger vielversprechende Start-ups sahen, die deutlich höher bewertet wurden.

Zweitens hatten wir Angst vor einer missglückten Finanzierungsrunde. Wir hatten gesehen, wie manche Start-ups vor uns ihre eigenen Investitionsziele verfehlt hatten. Dieses Szenario hätte unser Image schwer getroffen, von unseren Egos ganz zu schweigen. Anders als Angel-Investitionen entblößt Crowdfunding eine Firma vor der ganzen Welt. Es gab eine konkrete Angst vor Ablehnung.

Drittens waren wir wenig begeistert von den ‘erzwungenen Kosten’, die mit einer Seedmatch-Runde einhergingen, wie den Kosten für Buchhalter, Finanztransaktionen und Provision für die Plattform.

Was uns letztlich bewog, die Sache mit Seedmatch trotzdem durchzuziehen, war die Tatsache, dass wir bis dahin keinen so guten Deal gefunden hatten. Seedmatch bot uns schnellen Zugang zu Kapital und dass unser Produkt in dem Prozess tausenden relevanten Personen ausgesetzt werden würde.

Bilder hinter den Kulissen für unser Seedmatch Promo-Video.
Hinter den Kulissen, bei der Aufnahme unseres Apple-Style Promo-Videos für Seedmatch.

Die Runde

Der eigentliche Investitionstag war vermutlich der spannendste in unserer Zeit des Bestehens, da wir in diesem Moment auch unser Produkt der Öffentlichkeit präsentierten.

Glücklicherweise konnten die wenigen negativen Kommentare vorab nicht verhindern, dass wir am ersten Tag das Investitionslimit erreichten oder dass wir in derselben Woche unsere ersten zehn zahlenden Kunden gewannen. Rückblickend auf die Jahre, die darauf folgten, können wir einige Schlussfolgerungen ziehen:

  • Unser Gefühl der Unterbewertung ist noch immer präsent, aber wir sind selbst Schuld für unsere bescheidenen Prognosen.
  • Seedmatch’s Marketing-Maschinerie war sehr wertvoll. Sie hat Buzz geschaffen, zu Beginn einen Schub an Usern beschert und uns seitdem bei der Presseberichterstattung unterstützt.
  • Unsere Investoren sind ein wichtiges Netzwerk für uns geworden. Insgesamt haben 170 Personen investiert, von denen viele Markenbotschafter geworden sind, die Userlike wann immer es möglich ist empfehlen.
  • Obwohl wir das Feedback und die Weiterempfehlungen durch unsere Investoren schätzen, so sind wir froh, dass keiner von ihnen die Macht hat, unsere Richtung zu beeinflussen. Das kann anders sein mit Angels.
  • Die 10%-Kompensation für Seedmatch ist hoch, aber ist es wert im Austausch für die Publicity.
Das Userlike-Team im Jahr 2016.
Userlike im Jahr 2016.

Es ist unmöglich zu wissen, ob ein alternativer Kurs (z.B. Angel-Investments) die gleichen oder bessere Ergebnisse ergeben hätte. Wir glauben, dass Seedmatch für uns der richtige Schritt zur richtigen Zeit war.

Ich würde sagen, dass die Hauptvorteile gegenüber den anderen Optionen die Marktpräsenz und das Investorennetzwerk sind, die sich aus der Finanzierung ergeben. Doch wenn euer Produkt noch nicht in einem vorzeigbaren Zustand ist, könnte sich Crowdfunding auch als eine eher schmerzvolle Erfahrung erweisen.